SCHLIESSEN

Nordkanalregion

Gemeinsam Kirche für die Menschen nördlich des Kanals: Altenholz - Holtenau - Pries-Friedrichsort - Schilksee-Strande

Suche

Impuls

Friedensdekade Zusammen:Halt

09.11.2022 | Anlässlich der Friedensdekade wurde der Gottesdienst am 06. November 2022 zum Thema mit der Friedensgruppe Altenholz gestaltet. Okke Breckling-Jensen, Jonte Willert und Andreas Zeddel haben dazu Impulse gestaltet.

Tatsächlicher oder mangelnder Zusammenhalt der Generationen bezüglich Klima (Jonte Willert)

Das Voranschreiten des Klimawandels wird immer mehr spürbar; nicht nur in der Äquatorialebene,

sondern auch immer mehr im nördlichen Wendekreis, also bei uns. Die Waldbrände in Spanien,

Portugal, Griechenland, Frankreich, Italien, Tschechien und Kroatien, die menschenlebenfordernden Hitzewellen in Frankreich, die eisfreien Alpen, die Erwärmung und der

Anstieg der Nord- und Ostsee und die Überflutungen in Mittel- und Süddeutschland sind nur Beispiele der unmittelbar uns betreffenden Folgen des Klimawandels.

Trotz der unmittelbaren Bedrohung, ist in den letzten Jahren, bezüglich Klimaschutz, kaum etwas passiert. Ein Zusammenhalt von Generationen lässt sich kaum erkennen. Wo sowohl ältere als auch jüngere Menschen zusammenhalten ist, wenn sich Menschen treffen, die die gleichen

Absichten hegen oder Gleiches fordern. Ein komplettes Gegenteil zu diesem Zusammenhalt gibt

es, wenn die Proteste illegal werden. Die Beschädigung von Kunstwerken und das Festkleben des

eigenen Körpers an der Straße löst oft Empörung unter vielen Menschen, vor allem älterer

Generationen, aus. Jedoch ist die Beschädigung, der Widerstand selbst auch nur das Resultat

von Empörung über das „Nicht-Einsetzten“ für den Klimaschutz. Proteste wie diese, gibt es nur, da lange Zeit nichts gegen den Klimawandel getan wurde und auch jetzt kaum etwas

unternommen wird. Je mehr Menschen die wirkliche, reale Gefahr des Klimawandels erkennen würden, desto größer würde auch der Zusammenhalt unter selbigen wachsen. Und auch nur mit Zusammenhalt wird sich der Klimawandel noch aufhalten lassen, denn wenn die verantwortlichen

Generationen, die über Macht verfügen, nicht mit der betroffenen Generation, das heißt den jungen Menschen zusammenhalten, wird das Aufhalten des Klimawandels kaum mehr möglich sein.

Doch wie können die jungen Menschen mit den verantwortlichen Generationen

„zusammenhalten“, wenn Klimawandel bei jenen Generation immer nur eine zweitrangige Rolle zu spielen scheint. Wenn der verantwortlichen Generation der „Klimaschutz wichtig ist“, aber der Weg zur Arbeit trotzdem jeden Tag mit dem SUV, anstelle des Busses, „bewältigt“ werden muss;

wenn der verantwortlichen Generation der „Klimaschutz wichtig ist“, aber trotzdem jeden Tag Fleischprodukte, aus Massentierhaltung in Bangladesch, gegessen werden müssen; wenn der verantwortlichen Generation der „Klimaschutz wichtig ist“, aber trotzdem im Urlaub mit dem Flieger nach Mallorca geflogen werden muss. Wie kann dann „zusammengehalten“ werden?

Der Klimawandel ist ein globales Problem, ein Problem, das auch für uns bald zur lebensbedrohlichen Krise wird.

Das Fortführen der Energiegewinnung durch fossile Energien, wie Stein- oder Braunkohle, wird mit der Energiekrise gerechtfertigt. So verteidigte auch die amtierende Ampel-Regierung die Ablehnung der Forderungen des Bündnis deutscher Jugendorganisationen. Von einem

Zusammenhalt der Generationen kann hier also kaum gesprochen werden. Die Empörung der Jugend über das Nichtstun der machhabenden älteren Generation lässt sich vor allem wegen der „Sinnbefreitheit“ einiger politischer Maßnahmen rechtfertigen. Dass aufgrund der Energiekrise

Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke weiterlaufen dürfen oder sogar neugebaut werden, ergibt in keinerlei Hinsicht Sinn. Der Energiebedarf könnte z.B. schneller, effektiver und sogar günstiger durch den Bau von Windkraftanlagen gesättigt werden. Doch wenn man deren „Ausbau“ betrachtet ist man wahrscheinlich nicht nur erschreckt, sondern auch irritiert. Die Anzahl der Windräder ist nämlich vom Jahr 2020 zum Jahr 2021 nicht von 29.000 auf geforderte 35.000

Windräder angestiegen, sondern von 29.000 auf 28.000 abgefallen. Eine Maßnahme, die inzwischen, auf Grund der Energiekrise, von vielen bereut wird, aber das Verhältnis und den Zusammenhalt der betroffenen und der verantwortlichen Generationen sicher nicht stärkt.

Ein gewisser Zusammenhalt existiert, wenn es um Klimaschutz geht - und jener Zusammenhalt wird sicherlich generationsübergreifend anwachsen, wenn der Klimawandel einmal zur akuten, unaufhaltbaren Gefahr geworden ist. Aber ergäbe es nicht viel mehr Sinn jetzt schon zusammenzuhalten, um den Klimawandel noch - zusammen - aufhalten zu können?

Impuls von Andreas Zeddel

Liebe Gemeinde,

ich möchte mit Ihnen nun die Frage umkreisen, wie weit Zusammenhalt gehen kann.

Ich habe aus der Gottesdienstvorbereitung die Idee mitgebracht, dass Gruppen-Zusammenhalt und Solidarität nicht das Gleiche sind. Solidarität geht über eine erste

Gruppengrenze hinaus – stellt die Frage nach der nächsten Ebene, nach dem größeren Ganzen. Je größer die Gruppe desto schwieriger ist die Frage zu beantworten:

Was ‚tut‘ Solidarität, die mehr ist als – ggf. leere – Solidaritätsbekundung?

Gibt es wirklich „Zusammenhalt“ jenseits der Gruppe als deren Teil wir uns verstehen,

der Nation, Europas, der westlichen Wertegemeinschaft?

Allein diese Stufennennung zeigt, dass es wohl geht:

Trotz vieler Dispute sind wir in der Lage zu europäischer Solidarität. Und: aus den Erzfeinden Frankreich und Deutschland sind enge Verbündete geworden.

Gleichzeitig wissen wir, dass mit dem Wort „Zusammenhalt“ auch gegen Solidarität

abschottet werden kann, wie dies mit dem Brexit auf EU-Ebene zu erleben war

- und wofür die national ausgerichteten Parteien der verschiedenen Länder werben.

Im Kern geht es bei Solidarität – also dem, was über einen Gruppen-Zusammenhalt

hinausgeht – meines Erachtens um eine gemeinsame ‚Erzählung‘, eine gemeinsame

Vision, die die ‚weite Form‘ des Zusammenhalts über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg ermöglicht.

Ich habe Ihnen dazu Vertiefung drei Sätze mitgebracht:

"Hoch die internationale Solidarität!" ist ein beliebter Slogan auf Demonstrationen

gewerkschaftlicher oder linker Gruppierungen. Damit soll die Unterstützung für den

Widerstand und die Kämpfe von Menschen in anderen Teilen der Welt gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg ausgedrückt werden. Es ist dabei klar: Es gibt einen Gegner!

Solidarität ist hier die Fähigkeit mit anderen zusammen im Einvernehmen zu handeln – für Hannah Arendt ist dies der Ausgangspunkt von ‚Macht‘. Die Macht entspringt der Verständigung über gemeinsame Ziele. Über Macht verfügt nie ein Einzelner; Macht ist im Besitz einer Gruppe und bleibt nur so lange existent, als die Gruppe

zusammenhält!

Zusammenhalt gleich Macht – nicht verwunderlich also, dass die, die politisch herrschen

den Zusammenhalt der Ihren suchen. Dazu braucht es eine gemeinsame Erzählung.

Und leider liegt dabei eine wirkmächtige Erzählung nahe, die Zusammenhalt absichert:

die Erzählung von den Guten und den Bösen und dem Kampf, den die Guten gegen die

Bösen führen. Diese Erzählungen – die wir seit unseren Kindertagen ja lernen, spielen,

inhalieren – sind und machen mächtig.

Diese ‚Weisheit‘ der Diktatoren ist uns nicht fremd. Auch wenn manche Spielarten als

Verschwörungstheorien ausgegliedert werden – die Welt teilt sich für uns oft in die

Guten und die Bösen, egal auf welcher Seite von Gruppengrenzen wir stehen.

"Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt"

Am 4. Dez. 2002 hatte der damalige Verteidigungsminister Peter Struck mit diesem

Satz verdeutlichen wollen, dass Landesverteidigung für die Bundeswehr "nicht mehr

an der ersten Stelle" stehe – vor 20 Jahren wurden die verteidigungspolitischen Richtlinien neu gefasst.

"Wenn solches Denken Schule macht, landet die Welt über kurz oder lang im Chaos.

Mit demselben Recht könnten Pakistan, China oder jedes x-beliebige Land in ihren

Militärdoktrinen festlegen, dass deren Verteidigung am Rhein stattfindet", warnte damals die Friedensbewegung. Die Einschätzung ist heute bittere Realität.

Struck hat damals ganz klar nicht von Solidarität gesprochen – dennoch wurde der

Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan mit Solidarität begründet.

Einerseits mit der Solidarität gegenüber Amerika, die nach den Anschlägen von 2001

den Krieg gegen den Terror ausgerufen hatten.

Andererseits mit der Solidarität gegenüber den unterdrückten Menschen, insbesondere Frauen in Afghanistan.

Bilder von Enthauptungen haben in uns das übermächtige Gefühl der Solidarität erzeugt: „So etwas darf es auf dieser Welt doch nicht geben“.

Dennoch scheint in diesem Satz auf, dass ‚Solidarität‘ eine zu schwache Begründung für den Einsatz der Bundeswehr gewesen wäre – das Eigeninteresse wird benannt, ja in den Vordergrund gestellt. Das ambivalente Verhältnis von Solidarität und Eigeninteresse spiegelt dieser Satz. Solidarität fühlt sich gut an, der Begriff taugt zur Begründung von Vielerlei, aber was, wenn damit nur Handlungen gut-geredet werden, die

eigentlich dem Eigennutz dienen?

Auch dies scheint – gerade im Rückblick – bei diesem Satz hindurch.

Solche Solidarität erodiert, die Eigeninteressen werden deutlich und bestimmen das Handeln. „Solidarität“ wird auch angesichts des Afghanistan-Desasters beim Schutz der sogenannten Ortskräfte zu einem sehr schillernden Begriff.

Wo stehen wir als Christen?

Der wohl radikalste Satz von Jesus, der uns hier die Richtung weist, heißt:

„Liebe Deine Feinde!“

Dies wäre der Slogan für uns Christen auf Demonstrationen! Denn:

„Wollt ihr etwa dafür belohnt werden, dass ihr die Menschen liebt, die euch auch lieben? Das tun selbst die Leute, die von Gott nichts wissen wollen.

Ihr aber sollt eure Feinde lieben und den Menschen Gutes tun.“

Das ist im wahrsten Sinne plakativ – „Liebe Deine Feinde“.

Der Appell ist keine Erzählung, sondern ein ethischer Satz, ein philosophisch ethisches Hochkonzenrat, in dieser Kürze fast ungenießbar.

Es gibt eine Stelle des neuen Testaments, an dem dieser Satz Gestalt gewinnt und von uns allen geschätzt wird: die Erzählung vom barmherzigen Samariter.

Diese ist neben der Bergpredigt eine der seltenen Stellen der Bibel, an denen die Gruppe, die durch den Zusammenhalt der Gleich-Gläubigen definiert und abgegrenzt wird, religiös erweitert wird.

Wo so etwas, wie ‚Solidarität‘, Welt-Ethos, in der Bibel aufscheint.

Der barmherzige Samariter ist keine Erzählung des Mitgefühls innerhalb einer Glaubensgemeinschaft sondern weist eindrücklich über die Gruppengrenze hinaus.

Zur Zeit Jesu galten die Samariter bei den Juden als Irrgläubige. Sie und ihr Land wurden von den Frommen verachtet und gemieden. Jesus ist den Samaritern nicht ausgewichen. Er wählt den Weg von Galiläa nach Jerusalem mitten durch das Gebiet der Samariter, heilt auch dort und freut sich wenn der geheilte „Fremde“ durch seinen Glauben Gott die Ehre gibt.

Die Erzählung vom barmherzigen Samariter – die für viele Christen ja eine Schlüsselerzählung des christlichen Glaubens ist – ist ein Hinweis auf eine gelebte Solidarität über Glaubensgrenzen hinweg! Sie ist die Folge des jesuanischen Menschen- und Gottesbildes, das die gesellschaftlichen Grenzen überwindet und Jeden zum gleich von Gott geliebten Menschen erklärt. Ja, auch den Feind.

Es ist die große Erzählung von der Weltsolidargemeinschaft, die als Vision der „letzten Tage“ schon bei Micha vor über 2700 Jahren erscheint – und an Größe kaum zu überbieten ist.

„Kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden fortan nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken.“

Dass eine solche Vision auch heute noch prominent wiedergegeben wird, ist eine große Hoffnung:

»Ein jeglicher wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen ohne Scheu«

Wenn wir dem Gebot der Stunde genügen und ans Ziel kommen wollen, werden nicht Schlachten zu schlagen,

sondern Brückenschläge zu schaffen sein.

So führt der Weg ins versprochene Licht,

den Hügel hinauf, wenn wir uns trauen

Zusammen:halt mit der Ukraine (Okke Breckling-Jensen)

Zusammen:halt mit der Ukraine, das Thema für meinen kleinen Predigtimpuls.

Was mich da bewegt, beschäftigt, in ein paar kurze Gedanken zu pressen, puha.

Ich bin ein Kind der Friedensbewegung, habe in den 80er Jahren Kasernen blockiert, um Waffentransporte zu verhindern, habe Seminare zu Gewaltfreiem Training besucht.

Frieden schaffen ohne Waffen, das war unser Slogan.

Und:

Schwerter zu Pflugscharen.

Und: selig sind die Friedensstifter, denn sie werden Gottes Kinder heißen.

Gilt das denn heute nicht mehr?

Wenn die EKD zu Friedensverhandlungen aufruft, sieht sie sich in einem Shitstorm.

Zusammenhalt mit der Ukraine:

Ich sage jetzt und hier:

Auf jeden Fall.

Unbedingt.

In Worten.

In Taten.

Und, ja, mit der Lieferung von Waffen.

Wenn man sieht, hört, liest, was in den Gebieten geschah, die die Ukraine befreit hat, wie dort gefoltert, vergewaltigt, unterdrückt wurde, dann hieße, konkrete Hilfe auch mit Waffen zu verweigern, viele Menschen weiterhin den Qualen auszusetzen.

Selbst, wenn  nur die Hälfte von dem stimmt, was man erfährt, ist das entsetzliches Leid, was über die ukrainische Zivilbevölkerung gebracht wird.

Und Verhandlungen hat es seit 2014, seit der Annexion der Krim durch Putin, genug gegeben.

Erfolglos, muss man erkennen.

Frieden schaffen ohne Waffen:

Ein dummer, ein naiver Traum, der mehr Leid verursacht als verhindert?

Mit Sicherheit nein.

Ich weiß nicht, was hinter den Kulissen, unbeobachtet von der Öffentlichkeit, an Gesprächen geführt wird. Es werden mehr sein, als wir uns vorstellen.

Der Logik von immer mehr Waffen, von immer stärkeren Waffen, von Schlag und Gegenschlag, von Vernichtung und Demütigung des Gegners:

Sich dieser Logik, dieser Zwangsläufigkeit zu entziehen:

Das sehe ich im Moment als wichtige Aufgabe an einer Friedensbewegung, die heute wichtiger ist denn je.

Nicht als Träumerei, als Utopie von ein paar Spinnern.

Sondern als Gegengewicht zur herrschenden Kriegsbegeisterung.

Gleichwohl:

Den Menschen in der Ukraine helfen: Dort mit Hilfe bei der Infrastruktur, bei der Verteidigung.

Und hier mit Unterkünften, mit Sprachkursen, mit Jobs.

Was ich mir auch für alle anderen Geflüchteten wünsche.

Denn der Zusammen:halt hört ja nicht auf, nur, weil anderen Menschen keine Christen sind.

Der Zusammenhalt mit den Menschen aus der Ukraine ist für mich ein Test, wie solidarisch wir noch sind, noch sein können.

Auch gerade angesichts der steigenden Preise bei Energie, Strom und Lebensmitteln.

Letztlich kommt es darauf an, wie wir unseren Glauben verstehen, ob wir einzelne Sätze der Bibel uns um die Ohren hauen, oder versuchen zu verstehen, was eine Haltung sein kann, die unserem Glauben entspricht.

Als ich vor über 30 Jahren den Kriegsdienst verweigerte und damals ja noch eine Gewissensprüfung machen musste, ja, damals dachte man, das gewissen wäre prüfbar, da fragte mich der Vorsitzende der Kommission, was ich dann machen würde, wenn meine Freundin angegriffen werden würde, und ich könnte sie nur retten, wenn ich die Angreifer erschießen würde mit dem zufällig erreichbaren Gewehr.

Eine Fangfrage, denn egal wofür ich mich entscheiden würde, ich würde Schuld auf mich laden.

Das ist heute nicht anders:

Egal, was wir machen, wir laden Schuld auf uns.

Unser Gewissen wird uns noch lange beschäftigen.

Auf Gottes Beistand bleiben wir angewiesen, gerade jetzt.

Amen